Albinojunge Lucas, Autosauna gratis und im Auto-Korso durch die Townships!

Heute hatten wir um 10.00 Uhr einen sehr wichtigen Termin bei der Bank. Wir brauchen unbedingt ein Konto, um unsere Lebensmitteleinkäufe und Löhne zahlen zu können. Eine Überweisung von Deutschland aus kostet jeweils mindestens 15,00 € oder mehr. Bisher haben wir über ein spanisches Konto bei xendpay (kostet nur 4,99€) immer einen größeren Betrag an unsere Silke überwiesen und sie hat die Rechnungen für die Lebensmittel, Baumaterialien oder Löhne bezahlt. Silke, einige kennen sie aus meinen letzten Berichten, sie ist die weiße, namibianische Farmersfrau, die am Rande der Stadt mit ihrer Familie und dutzenden Tieren lebt und der die Kinder in den Townships sehr viel bedeuten. Dauerhaft ist das mit dem Geld und Silke aber nicht machbar. Wir müssen und wollen jede Ausgabe unseres Geldes belegt haben und da fehlt es eben hier und da mal mit den Belegen. Das fällt meistens erst auf, wenn Silke schreibt, dass Geld ist alle und nach der Belegprüfung und Buchführung unsere Schatzmeisterin Cordula noch ausreichend Geld da sein müsste. Es ist nicht so, dass Silke nicht gewissenhaft Buch führt, sondern sie vergisst, bei all dem eigenen Stress auf ihrer Farm einfach uns den Beleg per WhatsApp zu senden. Deshalb ist das für uns keine dauerhafte Lösung. Wir brauchen ein eigenes Konto. Als ausländisches Unternehmen oder Verein ist das normalerweise nicht möglich. Man braucht einen festen Firmen- und Vereinssitz in Namibia. Dafür müssten wir erst einen neuen Verein in Namibia gründen. Zu kompliziert. Deshalb haben wir lange gesucht, weil wir von Ausnahmen hörten. Und tatsächlich die Nedbank in Okahandja hat uns geschrieben, dass sie uns ein Konto zur Verfügung stellen. Dafür mussten wir aus Deutschland noch kurzfristig eine Menge an Papierkram erledigen. Einen Tag vor Abflug ist unsere Schatzmeisterin Cordula wegen einer Apostille sogar 2x zum Präsidenten des Landgerichtes gefahren. Deshalb war der 10.00 Uhr Termin für uns wichtig. Da wir aber vorher unbedingt noch in den Kindergarten wollten, Conny und Jörg, waren ja schon ganz gespannt und wollten nun endlich mal die Kinder und Toini persönlich sehen, sind wir 6.30 Uhr aufgestanden, um vor dem Banktermin das realisieren zu können. Gegen 8.30 Uhr kamen wir, wieder nach mehreren Anläufen (Irrfahrt durch das Labyrinth der Townships) im Kindergarten an. Wir verfahren uns in den ersten Tagen eigentlich immer. Das war beim letzten Mal schon so...aber bei hunderten Blechhütten ist das anfangs kein Wunder. Es ist für mich immer wieder ein besonderer Moment, wenn Toini und ich uns das erste Mal umarmen. Wir verweilen einige Sekunden in dieser Umarmung, schließen für einen Moment die Augen und genießen das warme Gefühl. Zwischen uns beiden Frauen hat sich in den letzten 6 Jahren eine tiefe Verbundenheit entwickelt. Das spürte ich auch an diesem Tag wieder.

Die Kinder sitzen wie immer ganz brav an den Tischen in der Hütte.

Beim Betreten bin ich etwas erschrocken, denn die Hütte platzt aus allen Nähten. Wir haben jetzt knapp 40 Kinder und es ist verdammt eng. Es wird Zeit, dass das mit unserem Grundstück und Neubau endlich klappt! Wir haben aus Deutschland Milka Schokoaufstrich in kleinen Becherchen mitgebracht, das schleckern die Kinder immer gerne mit dem Finger aus. Conny verteilt eifrig die Schokis.







Bei all der Aufregung vergisst sie einem Kind, eines zu geben. Dieses Kind sagt nichts, rührt sich nicht, aber auch die anderen Kinder sagen nichts. Eine ganz typische Situation wie ich sie schon oft erlebte. Das Kind akzeptiert einfach, dass es kein Schoki bekommen hat und die anderen nehmen es wortlos hin. So ist es eben im Leben...Pech gehabt. Als Conny es bemerkt, ist sie ganz erstaunt, warum dieses Kind nichts gesagt hat. Zum Glück hatte sie es noch bemerkt. Aber ihr Lieben, ich denke...die gleiche Situation in Deutschland??? Wäre nicht so abgelaufen. Draußen vor der Hütte wird fleißig gearbeitet. Wir haben Tomas, unseren Hüttenbauer vom letzten Mal, gebeten, ein paar Bänke und Tische zu bauen. Die Kinder sollen dort im Freien sitzen und essen können. Wir wollen nicht, dass die Kinder in naher Zukunft mit ihren Tellern auf dem Boden sitzen müssen.









Deshalb die Bänke und Tische. Ich bin etwas überrascht, denn die Bänke und Tische sind für die Kinder eigentlich zu hoch. Ich bin davon ausgegangen, dass die Menschen hier mitdenken...dass man für Kinder auch niedrigere Möbel braucht...aber das war ein Fehler. Nun sind sie fast fertig und ich habe gelernt, solche Sachen dann einfach hin zu nehmen. Dann ist es eben nicht perfekt und am Ende können sich dort auch mal die Mamas hinsetzen und verweilen. Lange können wir nicht bleiben, denn wir müssen ja zu unserem Banktermin. Wir werden aber noch mal zurückkommen, denn das zu Trinken ist alle und wir wollen noch mal frisches Obst vorbeibringen. Als wir die Bankfiliale inmitten der Shopping-Male betreten, habe ich plötzlich ein komisches Gefühl. Wir stellen uns vor, werden an den Schreibtisch einer Dame gebeten und stehen da...Platz zum Hinsetzen ist keiner. Jörg erklärt, dass er mit der Managerin per Mail geschrieben und diesen Termin ausgemacht hat. Die Dame guckt uns emotionslos an und erklärt: "....she is not here." Waaaaaaasss? Da war er also, der schlechte Tag, der dem guten folgte!!! Wir versuchten der Dame die Wichtigkeit dieses Termines zu erläutern und übergaben ihr einen unserer englischen Flyer, aber sie konnte uns nicht helfen.



Dennoch studierte sich aufmerksam unseren Flyer und irgendwie bekam man das Gefühl, dass sie uns plötzlich mehr Aufmerksamkeit schenkte. Vielleicht war sie selbst ein Kind der townships...auf alle Fälle gab sie uns sehr viele Unterlagen zum Ausfüllen mit, kopierte alle aus Deutschland mit gebrachten Dokumente und machte mit uns einen neuen Termin für kommende Woche. Nun können wir nur hoffen und beten.

Danach kauften wir Bananen und Saft und brachten es den Kindern.









Mir ist am Vormittag zwischen all unseren Kindern ein weißfarbiger Junge aufgefallen, ein Albino. Er saß Frühs ganz apathisch am Tisch, sein Gesicht und vor allem seine Lippen stark verbrannt...er muss Schmerzen haben...die Hände an den nicht von Kleidung bedeckten Stellen hochrot. Bei unserem zweiten Besuch wirkt er jetzt schon wieder lebendiger...aber wir wollen mit seinen Eltern sprechen und einen Arztbesuch organisieren. Und wenn es nur Salbe ist, die wir für ihn bekommen. Etwas müssen wir tun.


 
Nach viel "goodbys" fahren wir erst mal zu unserer Lodge...Mittagspause...um 15.00 Uhr haben wir den nächsten Termin...an unserem neuen Grundstück, was wir kaufen wollen...mit dem Makler und dem Eigentümer

Das Grundstück hat recht gute Voraussetzungen, denn es liegt inmitten der Townships, so dass es die Kinder gut erlaufen können, es ist registriert, groß genug mit fast 1.000 Square Meter, dieses Grundstück hat Wasser und Strom und es ist als industrial Light ausgewiesen. Unglaublich aber wahr, in den registrierten Teilen der Townships gibt es so was wie einen Nutzungsplan. Als Laie denkt man, hier herrscht doch ein einziges Blechhütten-Chaos, aber weit gefehlt, es besitzt eine optisch nicht ersichtliche Grundordnung. Diesen wichtigen Nutzungsplan habe ich uns besorgt (bin ja nicht ohne Grund Maklerin..grins) und so kann ich immer nachschauen, wenn wir ein Grundstück angeboten bekommen, ob dies für unsere Zwecke überhaupt nutzbar ist. Ergänzend sei gesagt, für den unregistrierten Teil der Townships, der 5fach so groß ist, gibt es natürlich nicht so einen Plan!!!!



Leider bekommen wir nur sehr sehr wenige Grundstücks- Angebote. Entweder es ist zu klein oder inmitten von Wohnland, wo man keinen Kindergarten bauen darf oder es liegt außerhalb des registrierten Teiles. Man muss sich vorstellen, der unregistrierte Teil ist mindestens 10 Quadratkilometer groß...ich weiß gar nicht, wieviel tausend Menschen hier leben und ob auch wirklich jeder Mensch registriert ist. Ich frag mich oft, wie viele dieser Menschen waren jemals außerhalb dieser Stadt? Um 15.00 Uhr stehen wir mit deutscher Pünktlichkeit auf dem Grundstück...noch niemand da. Der Makler wollte mit dem vermeintlichen Eigentümer, der noch nicht im Grundbuch steht (siehe Termin Beate Loch am 2. Tag) kommen. 15.15 Uhr stehen wir immer noch alleine. Die Sonne brennt aufs Autodach, mit ausgeschaltetem Motor fühlen wir uns wie bei einem Saunabesuch in voller Montur. Um 15.20 Uhr beenden wir den Saunagang, schalten das Fahrzeug an und fahren los. Wie schon gesagt, einem guten folgt ein schlechter Tag und er begann ja heute Morgen schon Sch...ße. Wir fahren zu einer Shopping-Male und hoffen, dass irgendein Restaurant WLAN hat. Bei "hungry lions" (eine Art Mc Donald) werden wir fündig und versuchen den Makler zu erreichen. Dieser Makler ist die mittlere Katastrophe, schmierig, unzuverlässig und verlogen. Aber wir haben nur ihn und ohne ihn, hätten wir nicht dieses Grundstück. Er erinnert mich an manch einen Mitstreiter bei mir zu Hause, solche Makler, die das Nest unserer Branche ständig beschmutzen. Ausgerechnet mit so einer "Pfeife" müssen wir uns hier rum igeln. Ich erreiche per WhatsApp diese "Pfeife" und er erklärt uns, er habe am Grundstück auf uns gewartet. Dass das nicht stimmt, können 4 durchgeschwitzte "Saunagänger" bezeugen, aber ich habe keine Lust auf weitere Diskussionen und bitte ihn zur Shopping-Male. Wenig später steht die 2 m Pfeife, Anfang 30, in Anzug, Sonnenbrille und Goldkettchen vor mir, neben ihm ein "Kollege", der den gleichen Kleidungsstil mit Lackschuhen noch ergänzt. Nach ca. 30 Sekunden verschwendetem Smalltalk fahren wir mit 2 Autos los. Das Maklerduo vorneweg mit einem dicken, fetten Jeep, bei dem ich mich frage, wieviel Menschen dafür ausgeraubt wurden. Plötzlich fahren wir nicht zum Grundstück, sondern auf ein gepflegtes, eingezäuntes Grundstück mit einem orangegelben Haus.




Wir wundern uns, was wollen die beiden uns denn jetzt verkaufen? Ich merke, wie ich allmählich aggressiv werde. Die beiden erklären uns, dass das der Sitz des Stadtrates und Bürgermeisters ist. Ok, sollen wir das "Rathaus" kaufen??? Die "Pfeife" erklärt uns, dass wir hier auf Herrn Bethuel Tjaveondja warten. Ich kenne und schreibe mich seit einiger Zeit mit Herrn Bethuel...er ist ein wichtiges Mitglied im Stadtrat und Nationalrat. Er hat mir seine Hilfe beim Bau des Kinderhauses zugesichert. Aber wozu brauchen wir ihn jetzt, frage ich mich. Wie sich später herausstellt, ist der Verkäufer des Grundstückes ein alter Mann, der kein Vertrauen zu unserem Makler hat (was wir verstehen) und deshalb nur im Beisein von Herrn Bethuel mit uns sprechen möchte. Ihm schenkt er sein Vertrauen! Gefühlt 1 Stunde lässt Herr Bethuel uns am "Rathaus" warten. Ich nutze die Zeit spontan und hole ein paar Projekt-Flyer aus dem Auto, begebe mich ins Office und verteile diese. Diese Flyer haben eine unglaubliche Wirkung auf die Menschen. Das haben wir gestern schon festgestellt. Das wir darin nicht nur Menschen aus ihren Townships fotografiert, sondern auch etwas schreiben und für ihre Kinder bauen wollen, begeistert sie. Auch der Name des verstorbenen Gottfried Brenner erzeugt immer wieder ein Leuchten in den Augen. Ihn als Urgründer unseres Kindergartens kennen hier sehr viele. Er wird verehrt und geschätzt. Nach rund 1 h des Wartens erscheint Herr Bethuel Tjaveondja..ein Mann mit hellblauem Hemd, Stoffhose..gut aber nicht zu übertrieben gekleidet...er wirkt abgearbeitet und müde. Wir fahren mit mittlerweile 3 Fahrzeugen wie in einer Polizei-Eskorte in die Townships zu unserem Grundstück. Der Verkäufer, ein älterer Herr, erwartet uns. Man zeigt uns die geplanten Grundstücksgrenzen und Herr Bethuel bittet uns, unserer Anwältin die Kontaktdaten des Verkäufers und dessen Anwalt zu geben für die weitere Abwicklung. Diese ist noch komplizierter als gedacht. Der alte Mann hat tatsächlich das Grundstück von der Stadt gekauft, aber nie den Kaufpreis gezahlt. Die Grundstücksbesitzer zahlen hier wie in Deutschland eine jährliche Grundsteuer und sind oft der Auffassung, dass das zur Abbezahlung des Grundstückes dient. So auch hier der Fall. Die Stadt hat noch 330.000 NA$ für das gesamte fast 3.200 qm Land zu bekommen, das sind rund 20.000 €. Der alte Herr möchte uns nur 900 qm verkaufen, aber möglichst viel an Geld herausholen. Deshalb müssen die Anwälte verhandeln. Beim Verlassen des Grundstückes sagt Herr Bethuel flüsternd mit Blick auf unsere "Pfeife" : "don't trust him " (Traue ihm nicht!). Damit bestätigt er, was wir bereits wussten.



 
Der Makler!






Wir haben für Samstag wichtige Menschen für unser Projekt zum Lunch geladen, u.a. auch Herrn Bethuel ...wir werden dann noch mal mit ihm ausführlich sprechen. Müde und durch geschwitzt fahren wir zu unserer Unterkunft. Nun hoffen wir, dass dem schlechten Tag ein guter Tag folgt. Am Samstag, also gestern, waren wir früh morgens und vor unserem geplanten Lunch, Gäste eines Gottesdienstes in den Townships. Ich bat Toini, sie einmal begleiten zu dürfen. Was wir da erlebten, übertraf meine / unsere Vorstellung. Nur so viel vorneweg, von Tränenausbrüche bis unglaubliche Glücksmomente...bis zu Menschen in vollkommener Ekstase...alles dabei.