Der erste Grundstücks-Deal! Kleine stolze Krieger bewachen unsere Taschen!

Heute ist Sonntag (30.4.2023) und ich habe endlich mal die Zeit und Muse ein paar Zeilen aufs Papier zu bringen (bzw. in mein Handy). Wir sind nun seit Donnerstag in Namibia. Von unserem Superschnäppchen habe ich euch bereits berichtet. Ich hatte meiner Freundin Toini versprochen, sie noch am gleichen Abend kurz zu besuchen und ihr etwas Essen vorbei zu bringen. Es ist Monatsende und bei den meisten Menschen hier kein Geld mehr übrig. Leider haben wir uns um 17.00 Uhr noch zu einer Besprechung verabredet, so daß wir erst gegen 19.00 Uhr im "Hungry Lions", dem namibianischen MC Donald, Chicken, Chips und Cola kaufen können. Elke ist schon etwas unruhig. Die Sonne ist fast verschwunden und wir müssen noch ein ganzes Stück durch die Townships zu Toinis Hütte fahren. Es gibt Menschen, denen sieht man es an, das sie zum erfolgreichen "Anbetteln" geboren sind, denn kaum betreten wir den "Hungry Lions", stürzt zielsicher ein 9 bis 10jähriger Junge auf Elke zu und bettelt um Essen. Ich habe hier in all den Jahren gelernt, das man nicht allen Kindern helfen kann, an jeder Ecke stehen hier Menschen und betteln. Man muss hier einen vernünftigen Selbstschutz entwickeln und sich sagen, ich tue schon viel für die Menschen, aber ich kann auch die Welt nicht retten. Deshalb werfe ich meiner Schwester ein kurzes Kopfschütteln zu. Es ist ihr erster Tag hier und ich spüre, wie sie neben mir steht und mit sich kämpft. Also bestelle ich ihr zu liebe für den Jungen auch eine Tüte Chicken, Chips und Cola. Und meine Schwester drückt mich (was nicht all zu oft vorkommt) und schenkt mir ein zufriedenes "Danke".

Die Fahrt zu Toini entwickelt sich nun doch zu einem kleinen Abenteuer. Um diese Zeit bin ich auch noch nicht durch die Townships gefahren. Wenn, dann meistens erst nach 21.00 Uhr, wenn wir unsere 3 Mitarbeiter nach einem Abendessen heim gefahren haben und die meisten Menschen schon schliefen. Aber um halb acht sind hier auf den verstaubten, huckeligen Wegen noch so viele Menschen unterwegs, wie ich es selbst noch nie gesehen habe. Im registrierten Teil, wo Elektrizität vorherrscht, ist um diese Zeit ausreichend Licht, aber im unregistrierten Teil, wo es keinen Strom gibt, entsteht plötzlich eine andere Stimmung. Elke ist angespannt und das überträgt sich auch auf mich. Ich muss viel anhalten und warten bis uns die Menschen Platz für die Durchfahrt machen. Ich gebe ja zu, dass die Menschen tagsüber anders wirken, als in der Dunkelheit. Wir brauchen deshalb länger als üblich. Die Kinder von Toini sind schon voller Erwartung auf der Straße umher gesprungen, weil sie wahrscheinlich schon seit Stunden auf uns gewartet haben. Eigentlich wollten wir gemeinsam mit Toini, Johanna und der Familie essen, aber ich möchte meiner Schwester ihre Nerven an dem ersten Abend nicht überstrapazieren und deshalb bleiben wir nur kurz und machen uns wieder zurück. Sicherheitshalber minimieren wir die Lichtquellen im Inneren des Autos (Display, Handys etc.), damit man von außen nicht sehen kann, wer im Auto sitzt. In der Unterkunft genieße ich meine Dusche und das wunderbare, kuschelige Bett.

Am anderen Morgen ist nix mit lange Schlafen, denn wir haben unseren ersten Termin um 9.00 Uhr am Kinderhaus. Wir haben im März, als wir mit einer Lionsdelegation in Namibia waren, mit der Stadt ausgehandelt, dass wir mit deren Zustimmung an unserem jetzigen Standort unser neues Haus bauen dürfen. Aktuell gibt es kein freies Grundstück auf registriertem Land und deshalb erhalten wir diese Ausnahmegenehmigung. 
 
 
Die Legobauweise mit polycare gibt uns ja die Möglichkeit, später das Haus zu versetzen. Das Kinderhaus wird 13 x 12 m. So viel Platz haben wir leider nicht auf unserem jetzigen Grundstück und deshalb werden wir das angrenzende, ungenutzte Grundstück mit dazu nehmen. Dort steht aktuell eine alte Blechhütte und ein großer Natursteinhaufen. Es gibt auch jemanden, der das Grundstück sein eigen nennt, auch wenn er gar nicht das Recht dazu hat. Er hat dieses Stückchen Land schließlich auch nur besetzt, so wie tausende hier. Aber er war nun mal zu erst hier und das muss man respektieren. 
 
 

 Wir haben uns auf eine kleine Entschädigung mit ihm geeinigt. Am Dienstag kommende Woche werden wir den "Erwerb" abschließen. Danach werden wir die alte Hütte abreißen und den großen Steinhaufen beiseite räumen. Apropos Steine. Elke meinte am Freitag im Gespräch mit dem Nachbarn zu mir, ob er denn nicht wenigstens noch die Steine beseitigen könnte. Ja, in Deutschland wäre das ein guter Deal gewesen. Aber hier in Namibia ist es genau umgekehrt. Hier braucht man jeden Stein!!!

Nach unserer Verhandlung genießen wir die Zeit mit unseren Kindern. Videos und Fotos habe ich ja bereits geschickt.

Unser Kindergarten schließt um 12.00 Uhr. Ich freue mich, dass unsere Kinder mit einem vollen Bauch und einem Lächeln im Gesicht nach Hause gehen. Ich muss grinsen, die Kinder auf der Welt haben doch eine Gemeinsamkeit, sie sind vergesslich. 3 Jacken sind liegen geblieben und Johanna schreit, wie eine Marktfrau den Kindern hinterher, die schnell zurück gelaufen kommen.


Wir bringen Toini und ihre Kleine noch schnell nach Hause. Die Nacht hat es geregnet und man sieht vereinzelt stinkende, müllhaltige große Pfützen. Zum Glück kenne ich die Straßen hier und kann bedenkenlos diese kleinen Weiher durchqueren. 



Auf dem Weg fällt mir eine Schulgruppe auf. Ich stoppe. Ein Junge trägt stolz ein selbst gebautes Haus in der Hand. Das muss ich fotografieren. Ich bin immer wieder schwer beeindruckt, was hier die Kinder aus "Müll" bauen. Schon im letzten Jahr habe ich hier Kinder mit selbst gebauten Drahtautos entdeckt.



Am Abend erleben Elke und ich noch eine schöne Überraschung. Wir wollen am späten Nachmittag unserer Kindergärtnerin Johanna eine Tasche mit Anziehsachen und Bettwäsche, welche wir aus Deutschland mit gebracht haben (danke Michael, Katrin, Conny, Jörg), vorbei bringen. Ich bin immer wieder erschrocken, wenn ich Johannas Hütte sehe und frage mich, wie hier 3 Menschen leben können. Sie ist nicht da. Mist. Ich stelle ihr die große schwarze Tasche vor die Tür. Überlege. Ist das richtig? Kann man das machen? Da kommt schon der erste Junge angesprungen. Ich denke, ok, ich kann die Tasche nicht stehen lassen. Da holt er aus der Hosentasche ein lila Plaste-Osterei und lächelt mich an. Das ist ein Junge aus unserem Kinderhaus! Ich bitte ihn, auf die Tasche auf zu passen und fahre mit Elke los. Wir suchen Johanna. Irgendwie haben wir kein gutes Gefühl wegen der Tasche. War das wirklich der Junge aus unserem Kinderhaus? Nach gefühlt 15 Minuten entdecken wir Johanna und fahren schnell zu ihrer Blechhütte. Hoffentlich steht die Tasche noch! Und was soll ich sagen. Da sitzen plötzlich 4 kleine Jungens und bewachen wie stolze Krieger die Tasche! Was für eine süße Überraschung!


 
... das war der Junge mit dem lila Ei.